Die Garnschmuggler

 

Vor 400 Jahren: Die Garnschmuggler der Bockmühle

In den Zeiten, als die Barmer und Elberfelder das Privileg der Garnnahrung genossen, das heißt, als einzige in den Landen der Herzöge von Jülich-Cleve Garn bleichen durften, war Heckinghausen wiederholt Brennpunkt eines ausgedehnten Garnschmuggels von und in die benachbarte Mark. Ohne die Auflagen der Garnnahrung zu Mengenbegrenzungen, Bleichzeiten, Gebühren etc. konnten die Märker zu günstigeren Preisen bleichen als die Bergischen, zumal auch die Löhne in der Mark niedriger waren. Die märkischen scherten sich nicht an die Regeln der Garnnahrung, und auch für die Wuppertaler Bleicher war die Versuchung groß, heimlich im „Billiglohnland" Schwelm bleichen zu lassen. Vor 400 Jahren, im Jahre 1602, flog eine Bande von Garnschmugglern auf, wovon der folgende Bericht handelt:


Zentralfigur der Affäre von 1602 war der aus Heckinghausen stammende Volmar Schwartz, der sich in der Öhde niedergelassen hatte und sich seitdem Volmar in der Oye nannte. Auf ihn als abtrünnigen Garngenossen hatten die Barmer und El-berfelder natürlich ein besonders scharfes Auge geworfen. Im August 1602 versandte Volmar eine Ladung von zwei Karren voll gebleichtem Garn via Lennep und Köln zur Messe nach Frankfurt. Die Elberfelder sahen hier eine gute Gelegenheit, ein Exempel zu statuieren und beschlagnahmten das Garn in Lennep. Obwohl Volmar sofort Kaution bot, um das Garn auszulösen und das Messegeschäft zu retten, rückten die Elberfelder das Garn nicht mehr heraus. Auch eine Intervention der Clevischen Räte blieb erfolglos, so daß sich diese mit einem Bericht vom 14. Oktober 1602 direkt an die Landesfürstin wandten und ange-sichts der harten Haltung der jülischen Räte androhten, sie wollten „gleicher weiß gegen die Bergischen procediren".

Die Gelegenheit zur Rache kam bald, obwohl Volmar damit ein Eigentor schoß. Er mobilisierte andere Schwelmer Bleicher, und gemeinsam klagten sie
beim Drosten von Wetter und den Clevischen Räten so lange,
bis diese den Hagener Richter Arnoldus Wortmann anwiesen, Vergeltung zu üben.

Am Martinitag, dem 11. November, war wie üblich in Schwelm Jahrmarkt, zu dem sich auch Barmer und Elberfelder einfanden. Richter Wortmann ließ kurzerhand 6 von ihnen festnehmen und am nächsten Tag vorführen. Es waren die Barmer Wynber Abels, Sybel in der Bredden, der Garnmeister Dirich in der Auen, Hinrich Peltzer von Wichlinghausen, Johan Rei-derhus (Rittershaus) thor Bockmollen - er war Besitzer des Stammhauses der Bockmühle - sowie der Elberfelder Jasper Reiderhuiß zur Forth (Furt), ein Bruder des Johann. Die Bergischen protestierten natürlich, doch konnte Wortmann sich auf den Befehl aus Cleve berufen, der ein solches Vorgehen ausdrücklich forderte. Schließlich wurde Wynber Abels entlassen, um in Barmen die eigene Obrigkeit um Schutz zu bitten. Der Barmer Richter Wilhelm von Pilsum unterrichtete zunächst den Elberfelder Richter Egidius Zuirs und auf dessen Anraten auch den Amtmann von Burg an der Wupper, Wilhelm van Scheide (oder Schede). Dieser verbot den Arrestanten, gegenüber den Märkischen irgendwelche Angaben zu machen. Wynber Abels begab sich am 14. November zurück nach Schwelm in den Arrest, begleitet vom Barmer Gerichtsschreiber, Notarius Jasper Storm.

Aber weder das Auftreten Storms noch eine Bitte an den Drosten von Wetter um Freilassung hatten Erfolg. Am 19. November traf dann ein fürstlicher Befehl zur Freilassung ein, von Herzog Johann Wilhelm 1. und seiner Gemahlin eigenhändig unterschrieben. Am 21. November waren die Gefangenen wieder frei. Der peinlich genaue Wynber Abels hielt fest, daß ihnen an Kostgeld für die Haft 16 Kölnische Gulden beim Schwelmer Gerichtsschreiber Buiseus und 58 Gulden in der Herberge des Engel Reiderhuiß, einem weiteren Rittershaus-Bruder, zur Last gefallen seien.


Der Bockmühlhof an der Lenneper Straße / Ecke Bockmühle


Inzwischen aber hatte die Obrigkeit in Erfahrung gebracht, daß das in Lennep beschlagnahmte Garn gar nicht dem Volmar in der Oye gehörte, sondern einem der in Schwelm Gefangenen, nämlich dem Jaspar Reidershus aus Elberfeld. Pikanterweise war er 1594 in Elberfeld Garnmeister gewesen und hatte dabei über die Einhaltung der Garnordnung zu wachen. Jetzt aber verstieß er gegen die Garnordnung und ließ sein Garn in Schwelm bei Volmar bleichen.

Der Amtmann von Burg führte daraufhin vom 29. November bis 2. Dezember eine Reihe strenger Verhöre mit den nach Burg zitierten Verdächtigen durch. Dabei gestanden Johan Reidershus und ein weiterer Bruder, der Schuhmacher Hans thor Bockmollen, die beide auf der Bockmühle wohnten, daß Jasper insgesamt 18 Zentner Garn zu Hans auf die Bockmühle gebracht hatte, wo Volmar es bei Nacht abholte.

Auch zwei Fuhrleute bestätigten diese Vorfälle unter Eid. Peter auf der Roesen Oiye (Rosenau) hatte mehrfach Garn des Jasper Reidershus zu dessen Bruder auf die Bockmühle gefahren und selbst einmal erlebt, wie Volmar es des nachts ab-holte. Peter Gray auffem Lichtscheid hatte nicht nur für Jasper Garn zur Bockmühle gebracht, sondern auch im Vorjahr für Eberhard Steinweg zu Peltzer in der Hebbecke. Der Transport ging von Elberfeld durch die Böhle zum Lichtscheid und dann bei Nacht weiter längs Scharpenacken zur Hebbecke.

Jasper gestand nun, daß das in Lennep beschlagnahmte Garn ihm gehörte und daß Volmar es ihm gebleicht und nach Köln habe bringen sollen. Johan Reidershus konnte noch mit anderen Erkenntnissen aufwarten: so hatte sein Schwager Reinerts, Sohn von Johan Thaschemecker (Teschemacher) einen Karren Garn zu ihm auf die Bockmühle bringen lassen. Einige Tage später reiste Johann dann nach Frankfurt. Was aus dem Garn wurde, wußte er angeblich nicht. Irgend jemand muß sich darum gekümmert haben! Die Quellen schweigen hierzu allerdings.

Die aufgrund der Untersuchung verhängten Strafen waren hart. Jasper mußte 400 Goldgulden an den Landesherrn sowie 400 Reichstaler an die Garnmeister zahlen. Seine Brüder zahlten wegen Beihilfe Hans und Johann je 50 und Engel 40 Goldgulden. Von einer Bestrafung Volmars und anderer Schwelmer und Langerfelder ist nichts bekannt. Das beschlagnahmte Garn verfiel der Landeskasse. Es wurde mit 553 Reichstaler und 18 Albus taxiert.

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Gerhard Dabringhausen


Quelle:
Jahrbuch 02/03, Seite: 85,87,88