Alte Zollbrücke

 

225 Jahre alt wurde sie in diesem Jahr, die alte Heckinghauser Brücke. Ihren 200. Geburtstag feierte der Bezirksverein vor 25 Jahren mit einem großen Brückenfest. Niemand konnte damals ahnen, daß dieses Fest auch im Jahr 2000 noch Bestand haben sollte und als Heckinghauser Bleicherfest weithin bekannt ist. Der Bezirksverein würdigte die alte Brücke seinerzeit mit einer Festschrift, in der auch die Geschichte der Brücke erzählt wurde. Nach 25 Jahren ist es angemessen, diesen Bericht in größerem Umfang zu wiederholen.

Die Vorläufer
Schon seit vielen Jahrhunderten existierte an dieser Stelle nahe der Mündung des Murmelbaches in die Wupper ein Übergang. Die Wupper war hier ziemlich breit und deshalb flach, wodurch eine Furt entstand. Schon frühzeitig führte hier ein Weg vom Südufer bis zu einer anderen Furt - etwa zwischen Bergbahn und Herzogbrücke gelegen - und von dort nun wieder auf dem Nordufer nach Westen. Trotz der zweimaligen Wupperüberquerung war dieser Weg von erheblicher Bedeutung, da der Weg über Rittershausen für Fuhrwerke teilweise zu steil war.

Ein erster Hinweis auf eine Brücke ergibt sich aus einer Steuerliste von 1591. In dem Abschnitt, in dem die Heckinghauser Höfe aufgezählt werden, wird ein Henrich vorm Brugel genannt. Brugel (andere Formen sind Brögel oder Brügel) bedeutet Brücke. Bei dieser Brücke wird es sich wohl nur um einen hölzernen Steg für Fußgänger gehandelt haben. Reiter und Fuhrwerke mußten weiterhin die Wupperfurt benutzen.

Im Barmer Garnmeisterumgang von 1608 taucht ein Jasper von der Bockmölen vor dem Hechelkuser Brugel auf. Die später übliche Bezeichnung 'Heckinghauser Brögel' war damals offenbar schon ein feststehender Begriff, was darauf hindeutet, daß der Steg schon einige Zeit bestanden hat.

1723 wurde am Heckinghauser Brögel eine neue hölzerne Brücke über die Wupper errichtet, die auch Wagen und Fuhrwerke tragen konnte, während ihre Vorgängerinnen wohl nur Stege für Fußgänger waren. Wer die Brücke passieren wollte, mußte hier eine Gebühr bezahlen, wie es allgemein bei der Benutzung ausgebauter Straßen, Brücken und Furten üblich war. Eine Karte aus dem Jahre 1752 zeigt, daß an gleich drei Stellen an den Grenzen Heckinghausens gebührenpflichtige Wupperübergänge waren: die Heckinghauser Brücke, der Steg zum Wülfing und die Furt zur Oehde. An der Heckinghauser Brücke befand sich auch eine Zollstation, da hier die Grenze zur Mark verlief.

In der Beckmannschen Chronik (siehe Jahrbuch 1997/98) finden wir einen Bericht, wonach am 8. Februar 1757 eine Flut mit Eisgang den 'Heckinghauser Brögel' erwischte. Die Brücke selbst wurde im Juli „vor 685 Reichstaler ohne Eisenwerk veraccordiret" (vereinbart, festgelegt), eine für die damalige Zeit beachtliche Summe. Der Schaden selbst wurde auf 880 1/2 Reichstaler geschätzt.

Die Alte Brücke
Der nun erforderliche Ersatzbau war wegen des Siebenjährigen Krieges (1756 - 1763) zunächst nicht möglich. Dabei gab es schon seit langer Zeit Konzessionen für den Bau der Brücke. Die Heckinghauser Eingesessenen, die die Brücke auf eigene Rechnung bauen und sich hinsichtlich der Kosten durch Erhebung von Wegezoll schadlos halten wollten, mußten die Erlaubnis gleich von zwei Landesfürsten einholen: des eigenen Herzogs von Berg, der dem Projekt wohlwollend gegen-überstand, und des Grafen von der Mark, also des Königs von Preußen. Die brandenburgisch-preußische Regierung hatte die Konzession schon am 25. November 1716 erteilt und im Jahre 1729 bestätigt, doch behalf man sich zunächst mit der Holzbrücke.

Der Verkehr nahm jedoch ständig zu: nicht nur durchs Wuppertal, sondern auch nach Remscheid fuhren täglich Frachtwagen mit Garn und Eisenwaren. Inzwischen waren auch erste zaghafte Anfänge des Kohlebergbaus erfolgt; mit aneinander gekoppelten Pferden, an denen rechts und links die Kohlensäcke hingen, zogen die Kohlentreiber aus dem Abbaugebiet um Herzkamp-Haßlinghausen-Schee über die heutige Kohlenstraße durch Langerfeld, im Leibusch hinab zur Wupper und über den Heckinghauser Brögel, die Gosenburg, das Gebiet von Rosegger- und Freiligrath-, Mörike- und Lönsstraße und den Barmer Wald weiter nach Cronenberg, Remscheid und Solingen zur aufblühenden Eisenindustrie, die die Kohle benötigte.

So beschlossen Anfang der 1760er Jahre die Eingesessenen in Heckinghausen, das Brückenbauprojekt ernstlich in Angriff zu nehmen. Die Baukonzession des eigenen Landesherrn war schnell erlangt. Schwieriger gestalteten sich die Verhandlungen, die die Heckinghauser Wortführer Beckmann und Hünninghausen mit der preußischen Regierung führen mußten. Hier fanden die Heckinghauser Fürsprecher in den Langerfeldern.

Der Kriegs- und Domänenrat Liebrecht mußte 1772 die Angelegenheit untersuchen und das in Betracht kommende Gebiet in Augenschein nehmen. Er stellte fest, daß an der ganzen Grenze zwischen Beyenburg und Rittershausen kein besserer Bauplatz für eine Brücke als im Rauental zu finden sei. Liebrecht befürwortete den Bau und erreichte nach längerem Schriftwechsel zwischen Düsseldorf (für Berg), Hamm (dem Sitz der märkischen Grafschafts-regierung) und Berlin im Herbst 1772 die Zustimmung seiner Vorgesetzten. Am 11. März 1775 wurde die Konzession zum Brückenbau bestätigt, allerdings mit der Bedingung, daß die märkischen Fußgänger vom Brückengeld befreit blieben und die freie Durchfahrt durch die Furt bei Niedrigwasser gestattet biieb. So konnte denn eine allgemeine Versammlung für den Baubeschluß auf den 8. April 1775 im Barmer Gerichtsgebäude stattfinden. Der Gerichtsbote mußte hierzu alle Schöffen, Gemeinsmänner und Meistbeerbten einzeln einladen. Die Versammlung entschied, den Brückenplan noch im selbigen Sommer zu verwirklichen und seine Durchführung in die Hände eines fünfköpfigen Konsortiums zu legen. Dieses noch in der Versammlung zusammen-getretene Konsortium bestand aus dem Gemeinsmann Westkott und den Beerbten Reinhard Kreft, Peter Engelbert Hünninghausen, der Witwe Beckmann auf Bockmühlen, vertreten durch ihren Sohn Caspar Beckmann III und Abraham Eickelkamp. Das Konsortium stellte die Mittel zur Durchführung des Vorhabens zur Verfügung und nahm dazu bei Caspar Honsberg in Elberfeld ein Darlehen von 7850 Reichstalern auf. 7780 Taler kostete schließlich der Bau. Für 850 Taler wurde 1787 auf dem südlichen Pfeiler noch ein Tophaus erbaut, in dem das Brückengeld kassiert wurde.

Die Brücke wurde aus starken Steinen, aber ohne Mörtel errichtet. Die drei Bögen sorgen für die nötige statische Festigkeit. Der Hauptbogen verpaßt der Brücke aber auch ihren charakteristischen „Buckel". Die Vorbauten der beiden Pfeiler sind spitz ausgeführt, um als Eisbrecher zu dienen. Dadurch soll der Brücke das Schicksal ihrer hölzernen Vorgängerin erspart bleiben.

Mit dem Brückengeld wurden nicht nur die Baukosten finanziert; es bildete im Folgenden eine stetig sprudelnde Einnahmequelle der Mitglieder des Konsortiums. Man sieht: privater Bau öffentlicher Verkehrswege auf Maut-Basis ist keine Erfindung der Gegenwart. Neben dem Brückengeld mußte hier übrigens auch Zoll gezahlt werden. Die Brücke war nämlich Grenzübergang zwischen Berg und Mark, und die Zollstation wurde mit im Torhaus eingerichtet.

Die weitere Entwicklung
Der Verkehr war von Anfang an enorm. Pferdefuhrwerke mit den Waren der Händler und Handwerker, Karren der Bauern, Fußgänger und Viehzeug wechselten täglich die Wupperseite vom Märkischen ins Bergische oder umgekehrt. Dazu kam die Postkutsche, die reitenden Kuriere der Obrigkeit, vornehme Personen zu Pferde, Kohlentreiber etc. Über 100 Kohlenpferde passierten täglich durch das Torhaus. Die „Päder", oft bis zu einem Dutzend aneinander gekoppelt, waren abgemagert und verwahrlost. Auf dem ersten Gaul saß der Kohlentreiber mit dem hohen Zylinder auf dem Kopf, den Stecken in der Hand, und ließ beide Beine an einer Seite des Pferdes herunterbaumeln. So begann der Verkehr der „Schwerindustrie".

Erst Ende des 19. Jahrhunderts war die Bedeutung der Brücke durch andere Straßen und den Eisenbahnbau so weit gesunken, daß die Einnahmen die Unterhaltungskosten nicht mehr deckten. Die Beckmannschen Erben übergaben sie deshalb 1925 an die Stadt Barmen. Der letzte Brückengeldeinnehmer war der Schankwirt Gessner („Zur Schwenkers Brücke") gewesen. Das Torhaus existierte damals allerdings schon lange nicht mehr. Wann es abgerissen wurde, ist nicht überliefert, vermutlich irgendwann zu Anfang des 19. Jahrhunderts, nachdem in napoleonischer Zeit die Landesgrenze zwischen Berg und Mark aufgehoben und deshalb die Zollstation aufgelöst worden war. Seitdem hatten vorwiegend ortsansässige Kneipiers das Brückengeld kassiert.

Die Brücke sollte aber noch manche wichtige Rolle spielen. Den zweiten Weltkrieg überstand sie unversehrt. Ab 1949 befuhr sie sogar der 0-Bus. 1955 wurde sie dann erstmals für den Autoverkehr gesperrt. 1961 erfolgte eine Generalsanierung, bei der die mörtellose Brücke auch Zementspritzen erhielt, da gewaltige Belastungen bevorstanden. Wegen des Baus einer neuen Bockmühlbrücke mußte der Verkehr über die alte Brücke umgelenkt werden. Erst 1975 zum 200jährigen Jubiläum wurden die Autos endgültig von der Brücke verbannt.

So lang wie die Geschichte der Brücke ist auch die Liste der Anekdoten und Histörchen. Insbesondere die Tatsache, daß nur Fußgänger kostenlos passieren durften, führte zu manch komischer Situation. Eine junge Mutter, die ihre schweren Zwillinge nicht tragen konnte sondern im Kinderwagen fuhr, sollte für diese Fuhre bezahlen. Da eine Tarifstelle für Kinderwagen und Säuglinge nicht existierte, berechnete der Brückenwärter kurzerhand 4 Pfennige für „2 Stück Kleinvieh a 2 Pfg." Eine Hippe am Strick (Ziege am Seil geführt) kostete 1 Pfg. Nahm man die Ziege auf die Schulter und trug sie hinüber, zahlte man nichts! Unfreiwillige Berühmtheit erlangte auch der Brückengeldeinnehmer, dem anstelle des Brückengeldes ein Pferdeapfel in die Hand gedrückt wurde.

Die erste Steinbrücke über die Wupper war sie nicht, denn schon die Beckmannsche Chronik berichtet von zwei Steinbrücken, die 1729 durch Eisgang zerstört wurden. 1754 bauten die Barmer auf der Gemarke eine Steinbrücke über die Wupper. Die alte Heckinghauser Brücke ist aber die älteste heute noch existierende Brücke. Hierzu gelten immer noch die Worte, die Hermann Rittershaus 1892 zum Barmer Oberbürgermeister Wegener sprach, als dieser über die „bucklige Brücke" scherzte: „Aber unsere bucklige Brücke hat alle Hochwasserfluten überstanden, während soundsovielmal Barmer Brücken weggerissen wurden."

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Gerhard Dabringhausen

Quelle: Jahrbuch 00/01, Seiten: 84,85, 87