Die Straßenbahn wird zweigleisig
Schon im Jahrbuch 1994/95 hatten wir von der Eröffnung der ersten elektrischen Straßenbahn im Wuppertal berichtet. Binnen 3 Jahren war der Verkehr so
angewachsen, daß ihn die eingleisige Strecke nicht mehr bewältigen konnte. Im März 1896 wurden auf der Heckinghauser Linie beispielsweise 77.888 Fahrgäste befördert. Im gleichen Jahr hatte es
Probleme gegeben, da sich die Bahnen nur an den einzelnen Ausweichen begegnen konnten. Um den üblichen 6-Minutentakt einzuhalten, mußte teilweise zu schnell gefahren werden. Die Obrigkeit ordnete
aus Sicherheitsgründen deshalb einen 8-Minutentakt an. Erst nachdem eine verlängerte Ausweiche an der Hubertus- (heutige Ranke-) straße und Krebsstraße gebaut war, konnte der Takt wieder auf 6
Minuten verdichtet werden.
1897 schaffte man aber grundsätzlich durch Verlegung eines 2. Gleises Abhilfe. Zunächst gab es jedoch Streit mit den Fuhrunternehmern und den Hausbesitzern an der
Heckinghauser Straße. Die der Öffentlichkeit zugänglich gemachten Pläne sahen eine Verlegung des 2. Gleises in nur 2,55 m Abstand vom Bordstein vor, so daß nicht genug Platz für große Fracht-und
Möbelwagen blieb. Die königliche Regierung gab dem Protest nach Prüfung am 28. Januar 1897 statt und ordnete eine erneute Offenlegung der Pläne an. Aber auch diese fanden nicht die Zustimmung der
Fuhrunternehmer, so daß am 20. März im Barmer Rathaus unter Vorsitz von Regierungsrat Steilberg die Proteste öffentlich verhandelt wurden. Herr Steilberg brachte alle Opponenten kurzerhand
dadurch zum Verstummen, indem er sich vom Rathaus nach Heckinghausen begab und an der engsten Stelle der Heckinghauser Straße, wo schon ein Stück des 2. Gleises lag, einen Staßenbahnwagen an
einem Möbelwagen vorbeifahren ließ. Dies klappte reibungslos. Es blieb sogar ein Sicherheitsabstand von über einem Meter.
Der Bau des 2. Gleises selbst verlief ohne Probleme. Am 15. Juli wurde der zweigleisige Betrieb aufgenommen. Im gleichen Monat wurde auch in der
Werlöstraße mit der Verlegung der Schienen für die Bahn nach Schwelm und die Verbindungsbahn zur Wichlinghauser Straßenbahn begonnen. 1898 wurde die Heckinghauser Bahn durch die Bockmühle bis zum
Eisenbahnviadukt verlängert und von dort durch die Lenneper Straße und Kleine Straße zurückgeführt. Im gleichen Jahr konnte auf der Heckinghauser Straße zum 5-Minutentakt übergegangen
werden.
Ein Männlein aus Klein-Barmen
War Heckinghausen im Hinblick auf seine Verkehrsmittel der fortschrittlichste Stadtteil Barmens, so war er hinsichtlich der Beleuchtung der
rückständigste. Noch bis in die 50er Jahre dieses Jahrhunderts hielt sich die Bezeichnung „dunkelster Stadtteil Wuppertals". Dabei war der Mißstand früh erkannt worden, wie folgende Glosse aus
der Barmer Zeitung vom 10. November 1897 zeigt:
„(Aus Klein-Barmen.) Allnächtlich um die zweite Stunde, so schreibt man uns, wandelt durch die Pfeilstraße in Heckinghausen seufzend wie ein
Nachtgespenst ein Männlein mit geheimnisvoller Ausrüstung. Auf der Schulter trägt es eine Leiter und auf dem Rücken baumeln ihm, an einer Strippe befestigt, zwei unheimliche Fläschchen, die schon
manchen Wanderer geschreckt haben. Bei jeder Laterne hemmt es klagend den Fuß, um dann plötzlich hurtig an dem Laternenpfahl in die Höhe zu klettern und die trüben Petroleumlampen mit frischer
Füllung zu versorgen! Das Nachtgespenst ist nämlich der arme Laternenanzünder, der seine Nachtruhe opfern muß, weil die Petroleumlampen nicht die ganze Nacht hindurch brennen und neu begossen
werden müssen. Sehr viele unserer Mitbürger, namentlich in der Mittelstadt, die sich allabendlich des Glanzes des Gasglühlichts und der elektrischen Beleuchtung erfreuen, werden vielleicht
erstaunt sein, zu hören, daß es in Barmen noch eine derartige dörfliche Beleuchtung gibt, die auf so romantische Weise betrieben werden muß. Wäre es nicht angebracht, daß man diesen
urgroßväterlichen Zuständen ein Ende machte und die beiden Oelkrüglein des Laternenanzünders für immer dem Bergischen Museum überwiese, ehe man, wie es ja beabsichtigt ist, neue Straßenzüge der
Mittelstadt elektrisch erhellt?"
100 Jahre Vandalismus - ein trauriges Jubiläum
Es wird heutzutage viel über Vandalismusschäden geklagt. Daß dies kein neues Problem ist, zeigt folgender Artikel aus der Barmer Zeitung vom 14.
April 1897:
„Demolierungslümmel haben auf dem Deisemannskopf arg gehaust. Der dort aufgestellte Musiktempel vom Anlagenplateau ist kaum wiederzuerkennen.
Sämtliche bunten Scheiben sind eingeworfen, die Thüre ist herausgerissen und an eine Seite geworfen, der Bau ist auch im Innern demoliert und beschmutzt. Zur Bequemlichkeit dieser rohen Burschen
diente eine dort liegende Leiter, auf welcher die Vagabunden das Dach des Tempels bestiegen haben, um auch dort ihr Zerstörungswerk zu verrichten. Es wäre gewiß am Platze, wenn eine
Polizeipatrouille dann und wann da oben sich blicken ließe."
Im folgenden Jahr wünschte der Reporter den Zerstörern etlicher Ruhebänke eine „exemplarische Strafe".
In Wald und Flur
Der so übel zugerichtete Musiktempel war im Jahre zuvor vom Barmer Verschönerungsverein auf Betreiben des Oberbarmer (Rittershauser) „Spatenclubs"
errichtet worden. Der Spatenclub stellte hierfür sowie zur Wegeerneuerung und der Erstellung einer dauerhaften Brücke über den Murmelbach beim „Bunten Stein" 2.600 M zur Verfügung. Der
Musiktempel war in den Barmer Anlagen infolge Neubauten entbehrlich geworden und konnte so zum Deisemannskopf verlagert werden. 1898 wurde neben dem Tempel sogar ein Ausschank von Bier und
anderen Erfrischungen eröffnet und von einem Bahnwärter betrieben. Später wurde auch noch ein Fernrohr aufgestellt, mit dem man bei gutem Wetter angeblich das Kaiser-Wilhelm-Denkmal auf
Hohensyburg sehen konnte. Der Musiktempel existierte noch bis in die 30er Jahre unseres Jahrhunderts, während der bisher so rührige Rittershauser Spatenclub bereits im Oktober 1897 seine
Tätigkeit einstellte und den Restbetrag der Vereinskasse von 1.500 M dem Barmer Verschönerungsverein vermachte.
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Gerhard Dabringhausen
Quelle:
Jahrbuch: 97/98, Seiten: 75, 77, 79